Awareness-Konzept des Fachschaftsrats Biologie

  1. Definition von “Awareness”

Awareness bedeutet so viel wie “Bewusstsein” oder “Aufmerksamkeit” und beschreibt den Versuch, grenzüberschreitendes Verhalten zu erkennen, diesem Verhalten vorzubeugen, Betroffene zu betreuen und diese zu unterstützen. Es soll eine Atmosphäre geschaffen werden, die es erlaubt, dass sich alle sicher und gesehen fühlen. Menschen sollen so bestärkt werden, ihre Bedürfnisse frei und ohne Angst vor Beurteilung zu äußern. Auf diese Weise können Positionen sichtbar gemacht werden, die in unserer Gesellschaft oft noch zu wenig wahrgenommen werden. Deshalb sind Awareness-Konzepte vor allem für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen wichtig. Diskrimierung kann viele Formen annehmen und sowohl individuell als auch strukturell vorkommen. Wir möchten hier einige Beispiele von Diskriminierung aufzählen: Rassismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus, Ableismus, Alter, Körpergröße, Körperform, Gewicht.

Rassismus richtet sich gegen Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ethnischen Herkunft, Religion oder anderen äußerlichen Merkmalen in Gruppen eingeteilt werden, die als minderwertig betrachtet werden.

Antisemitismus richtet sich gegen Menschen, die mit dem jüdischen Glauben in Verbindung gebracht werden.

Queerfeindlichkeit richtet sich gegen Personen der LGBTQIA+*-Community und Personen, die sich nicht innerhalb des binären Geschlechtersystems identifizieren. 

Sexismus richtet sich gegen Menschen, die nicht der ihnen von der Gesellschaft auferlegten Geschlechterrolle entsprechen oder Menschen, die aufgrund ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Geschlechterrolle diskriminiert werden. Besonders exponiert sind oft weiblich gelesene Personen sowie FLINTA*-Personen. 

Ableismus ist die Diskriminierung von Menschen mit sichtbaren oder unsichtbaren Einschränkungen und die Behinderungen dieser Menschen im Alltag.

Zusätzlich werden Menschen oft aufgrund vieler weiterer Merkmale diskriminiert, z.B. Alter und körperliche Merkmale wie Körpergröße, Körperform oder Gewicht. Nicht alle betroffenen Personen sind sich der Diskriminierung, welche sie erleben, jederzeit bewusst. Diskriminierung ist vor allem dann schwerer als solche zu identifizieren, wenn sie strukturell stattfindet.

Awareness im Bildungskontext hilft dabei, einen Überblick über (mögliche) Gruppendynamiken innerhalb von Bildungsräumen zu erhalten und, wo nötig, eigene Schutz- und Austauschräume für be­stimmte Zielgruppen zu schaffen. Dadurch ist es möglich, die Bedürfnisse der Teilnehmenden wahrzunehmen und ihnen individuell zu begegnen.

Disclaimer

Im Folgenden wird von “Betroffenen” oder “betroffenen Personen” sowie “ausübenden Personen” gesprochen, um Parteien eines Vorfalls zu beschreiben. Wir, der FSR Biologie, distanzieren uns von der Verwendung des Wortes “Täter*in”. Auch den Begriff “Opfer” möchten wir nicht verwenden, da dieser immer als Selbstbezeichung der betroffenen Person zu verwenden ist.

2. Grundsätze unserer Awareness-Arbeit

Konsens/Zustimmung: Individuelle Grenzen werden respektiert – “Nein” heißt “Nein” und nur ein ausdücklichesJa” heißt “Ja”. Betroffene Personen haben stets das Recht, ihren Konsens zu etwas zu geben oder zu verweigern und den einmal gegebenen Konsens auch zu jeder Zeit zurückzuziehen. Das Awareness-Team des FSR Biologie sorgt dafür, dass dieses Recht von der betroffenen Person nicht eingefordert werden muss, sondern ihr bedingungslos zusteht und grundsätzlich vorausgesetzt ist.

Definitionsmacht: Wo und wann ein Übergriff oder eine Grenzüberschreitung beginnt, bestimmt immer die betroffene Person. Somit wird auch das Benennen und Wahrnehmen grenzüberschreitenden Verhaltens vom Awareness-Team nicht hinterfragt – ungeachtet dessen, wie das Awareness-Team die Situation wahrnimmt, wird die betroffene Person und ihre Wahrnehmung der Situation respektiert. Fragen zu Details des Übergriffes sowie  das ständige Bitten nach Wiederholung des Geschehens und das damit einhergehende Absprechen der Wahrnehmungsfähigkeit der betroffenen Person sind zu unterlassen. Die betroffene Person hat die alleinige Entscheidungsmacht, ob und wie es nach dem Vorfall weitergeht. Eine Grenzüberschreitung kann von betroffenen Personen als Kontrollverlust wahrgenommen werden. Wir möchten helfen, nach einem Vorfall die Kontrolle über die eigene Erfahrung wiederherzustellen. 

Parteilichkeit: Die Wahrnehmung einer betroffenen Person wird nicht nur respektiert, sondern vom Awareness-Team auch uneingeschränkt unterstützt. Wir setzen uns in vollem Maße und in erster Linie für die betroffene Person ein. Das bedeutet, den betroffenen Personen das Vertrauen und die Sicherheit zu garantieren, welche sie zuvor in einem grenzüberschreitenden Vorfall verloren haben. Volle Solidarität mit Betroffenen.

3. Allgemeine Richtlinien für die Arbeit im Awareness-Team

Der AK Gleichstellung und Awareness behält sich vor, dass jedes Mitglied des Awareness-Teams zuvor das Awareness-Konzept gelesen und durch Unterschrift bestätigt haben muss, nach dessen Grundsätzen und Leitlinien zu handeln. 

Während der Arbeit im Awareness-Team (auf Events, während der Sprechstunde usw.) müssen alle Mitglieder des Awarenessteams nüchtern sein. Die Arbeit wird nüchtern begonnen und die Mitglieder bleiben bis zum Ende ihrer Arbeit durchgehend nüchtern. Nüchtern sein bedeutet, den Konsum von Alkohol, Drogen und anderen Rauschmitteln während und im Zeitraum unmittelbar vor der Awarenesstätigkeit zu unterlassen.

Das Awareness-Team ist jederzeit über die E-Mail info@fsr-bio.de und auf Events zusätzlich über ein separates Diensthandy mit eigener Handynummer kontaktierbar. Dieses Handy inklusive Ladezubehör ist von den Verantwortlichen des Awareness-Teams während des Events die ganze Zeit bei sich zu führen und auf laut zu stellen. Das E-Mail-Postfach wird einmal täglich geöffnet und gelesen. Über E-Mails im Postfach sowie Nachrichten auf dem Handy ist außerhalb des Awareness-Teams absolutes Stillschweigen zu bewahren. Sollten Betroffene die Löschung ihrer E-Mail oder Nachricht wünschen, ist diesem Wunsch unmittelbar Folge zu leisten. 

Mitglieder des Awareness-Teams tragen während ihrer Arbeit ein klar identifizierbares Erkennungszeichen an ihrem Körper. Dieses Erkennungszeichen ist ein Bienen-Haarreif, der vom FSR Biologie gestellt wird. Das Awareness-Team hat sicherzustellen, dass alle Besucher*innen des Events etc. über das Erkennungszeichen informiert sind.

Jegliche an das Awareness-Team herangetragene Vorfälle und Anliegen sind stets diskret und höchstens teamintern zu behandeln. Wer von dem Vorfall erfahren darf, entscheidet ausschließlich die betroffene Person. Die betroffene Person wird während des ersten Kontakts mit dem Awareness-Team auf unsere Verschwiegenheitspflicht hingewiesen und gefragt, ob und wenn ja, mit welchen weiteren Mitgliedern des Awarenessteams oder weiteren Anlaufstellen der Vorfall besprochen werden darf.

In dem Fall, dass sich ein Mitglied des Awareness-Teams in der Bearbeitung eines Vorfalls nicht sicher oder überfordert fühlt, ist der betroffenen Person dies offen zu kommunizieren. Es kann entweder ein anderes Awareness-Team-Mitglied hinzugezogen werden, oder an eine alternative Anlaufstelle verweisen werden. Auch Mitglieder des Awareness-Teams haben das Recht, sich selbst zu schützen und zu entscheiden, einen Vorfall nicht selbst anzunehmen, oder sich ihrerseits beraten zu lassen. Wir können nur effektiv helfen, indem wir uns selbst schützen. 

Wir bieten Betroffenen nach bestem Wissen und Gewissen unsere Unterstützung an und stehen ihnen zur Seite. Wir sind aber keine psychologisch, psychiatrisch oder juristisch ausgebildeten Fachpersonen und können daher nicht selbst entsprechende Notfallmaßnahmen einleiten. In Fällen, in denen es einer fachlichen Unterstützung bedarf, müssen wir daher  an geschultes Personal weiter verweisen. Wir können aber die Betroffenen, sollten diese dies wünschen, dorthin begleiten und/oder bei der Kontaktaufnahme unterstützen.

4. Zuständigkeiten des Awareness-Teams während der Sprechstunde

Mitglieder des Awareness-Teams, die die Sprechstunde leiten, tragen Verantwortung für die Arbeit und Präsenz während der Sprechstunde. Sie sind zuständig für die Fürsorge und akute Unterstützung der betroffenen Personen sowie die Kommunikation mit ihnen.

Während der Sprechstunde und bei Events steht ein Awareness-Koffer zur Verfügung, der die nötigsten “Erste-Hilfe”-Materialien enthält, um Betroffene oder Menschen in ihren individuellen Bedürfnissen zu unterstützen. Er muss den Personen, die die Sprechstunde besuchen, angeboten werden bzw. ihnen muss die Möglichkeit eröffnet werden, den Koffer zu nutzen.

Vorfälle und Anliegen, die während der Sprechstunde aufkommen, werden nach bestem Wissen und Gewissen und den Bedürfnissen von Betroffenen entsprechend behandelt.

5. Zuständigkeiten des Awareness-Teams während Veranstaltungen

Mitglieder des Awareness-Teams, die auf einem Event Schicht haben, tragen Verantwortung für die Awareness-Arbeit und Präsenz während ihrer Schicht. Sie sind zuständig für die Fürsorge und Unterstützung der betroffenen Personen und die Kommunikation mit ihnen.

Es wird insbesondere auf auffällig stark alkoholisierte und/oder unter dem Einfluss anderer Rauschmittel stehende Personen geachtet. Diese können und sollten vom Awareness-Team aktiv angesprochen und zugewandt, ohne Bewertung des Konsums, zu ihrem Befinden befragt werden. Wenn die Personen in einem Zustand sind, der es ihnen nicht mehr ermöglicht, vernünftig an der Veranstaltung teilzunehmen, ist der Person Hilfe und Unterstützung anzubieten, um diesen Zustand zu verbessern (z.B. Wasser, Zwieback).

Während des Events steht neben dem Awareness-Koffer ein Ruheraum abseits der Hauptveranstaltung zur Verfügung. Beide Angebote müssen den Personen, die das Awareness-Team auf einer Veranstaltung ansprechen oder von diesem angesprochen werden, angeboten werden.

Das Diensthandy wird entsprechend 4. mitgeführt.

Vorfälle und Anliegen, die während des Events aufkommen, werden nach bestem Wissen und Gewissen und den Bedürfnissen von Betroffenen entsprechend behandelt.

6. Umgang mit konkreten Situationen

A. Eine Situation wird von einem Mitglied des Awareness-Teams als grenzüberschreitend wahrgenommen.

  • Überlegen, ob man selbst eine geeignete Person ist, um zu intervenieren. Sonst ist die Verantwortung an ein anderes Mitglied des Awareness-Teams abzugeben, bzw. andere Mitglieder nach Unterstützung zu fragen.
  • Betroffene Person kurz nach ihrem Befinden fragen (Ist alles okay? Geht es dir gut mit der Situation?) und kurz erklären, warum die betroffene Person angesprochen wurde/warum man etwas als Grenzüberschreitung wahrgenommen hat.
  • Betroffener Person zuhören und sie ernstnehmen; Wünsche und Bedürfnisse beachten und vermitteln, dass sie die Kontrolle über die Situation hat
  • Betroffener Person Unterstützung anbieten (z.B. Gespräch, Rückzugsort); möchte die Person keine Unterstützung, ist das zu respektieren.
  • Nachdem die betroffene Person entsprechend ihren Bedürfnissen unterstützt wurde und davon auszugehen ist, dass von der ausübenden Person eine Gefahr für andere ausgeht, ist es die Pflicht des Awareness-Teams, dafür zu sorgen, dass die ausübende Person die Situation verlässt. Bei Bedarf ist dabei nach Unterstützung durch andere Teammitglieder zu fragen. Im Falle von Gewalt oder einer akuten Gefährdung werden Rettungskräfte wie Krankenwagen oder Polizei informiert.

B. Das Awareness-Team wird von einer außenstehenden Person auf eine grenzüberschreitende Situation aufmerksam gemacht.

  • Überlegen, ob man selbst die geeignete Person ist, um zu intervenieren. Sonst an ein anderes Mitglied des Awareness-Teams abgeben, aber keinesfalls an die informierende Person selbst
  • Betroffene Person kurz nach ihrem Befinden fragen (Ist alles okay? Geht es dir gut mit der Situation?) und kurz erklären, warum die betroffene Person angesprochen wurde/warum man etwas als Grenzüberschreitung wahrgenommen hat
  • Betroffener Person zuhören und sie ernstnehmen; Wünsche und Bedürfnisse beachten und vermitteln, dass sie die Kontrolle über die Situation hat
  • Der betroffenen Person Unterstützung anbieten (z.B. Gespräch, Rückzugsort); möchte die Person keine Unterstützung, ist das zu respektieren.
  • Nachdem die betroffene Person entsprechend ihren Bedürfnissen unterstützt wurde und davon auszugehen ist, dass von der ausübenden Person eine Gefahr für andere ausgeht, ist es die Pflicht des Awareness-Teams, dafür zu sorgen, dass die ausübende Person die Situation verlässt. Bei Bedarf ist dabei nach Unterstützung durch andere Teammitglieder zu fragen. Im Falle von Gewalt oder einer akuten Gefährdung werden Rettungskräfte wie Krankenwagen oder Polizei informiert.

C. Das Awareness-Team wird von einer betroffenen Person angesprochen und um Unterstützung gebeten.

  • Der betroffenen Person zuhören und sie ernst nehmen; von übermäßigen Nachfragen oder Körperkontakt absehen, es sei denn, dies ist ausdrücklich erwünscht; immer auch auf die eigenen Grenzen achten.
  • Überlegen, ob man selbst die geeignete Person ist, um die Situation zu behandeln. Sonst an ein anderes Mitglied des Awareness-Teams abgeben
  • Betroffene Person nach ihren Wünschen und Bedürfnissen fragen (Was brauchst du gerade?), diese beachten und vermitteln, dass sie die Kontrolle über die Situation hat
  • Betroffener Person Unterstützung anbieten (z.B. Gespräch, Rückzugsort); fragen, ob sie eine Vertrauensperson dabei haben möchte; der betroffenen Person so viel Zeit lassen, wie sie benötigt
  • Nachdem die betroffene Person entsprechend ihren Bedürfnissen unterstützt wurde oder weiterführend unterstützt wird und davon auszugehen ist, dass von der ausübenden Person eine Gefahr für andere ausgeht, ist es die Pflicht des Awareness-Teams, dafür zu sorgen, dass die ausübende Person die Situation verlässt. Bei Bedarf ist dabei nach Unterstützung durch andere Teammitglieder zu fragen. Im Falle von Gewalt oder einer akuten Gefährdung werden Rettungskräfte wie Krankenwagen oder Polizei informiert.

Stand: September 2024